Zu den Projektionen von Katarina Veldhues und Gottfried Schumacher
Manfred Schneckenburger geht es in seiner kunstwissenschaftlichen Einordnung der Projektionskünstler der Gegenwart um “die spezifischen Bedingungen einer Erweiterten Projektion, verstanden als neue Kunstform mit eigenen Möglichkeiten und eigenem Anspruch. Er schreibt: Das Künstlerpaar Katarina Veldhues und Gottfried Schumacher trägt, wie wenige, dazu bei, deren Grenzen zu erkunden, auszuweiten und neu zu ziehen.” (1)
“Seit 1994 arbeiten sie zusammen. Sie gehören zu den vielseitigsten und fundiertesten Projektionskünstlern mit internationalen Preisen und Stipendien. Wichtigstes Medium ist das Licht, nicht das laute Licht der Großstadt und der Reklame, sondern ein gleitendes Licht der Übergänge und allmählichen Transformationen: das Licht der Projektion. Auch in der Erzeugung von Dunkelheit vollzieht sich für das Paar ein künstlerischer Schritt (…).
Um 2000 kommen sie zur Projektion, die seitdem ihr eigentliches Medium bleibt. Sie projizieren bevorzugt auf Orte und Gebäude von historischer, politischer und sozialer Bedeutung. (…) Ihre Projektionen blenden nie gesehene Bedeutungen im Schnittpunkt von Vergangenheit und Zukunft auf: ein Spielraum zwischen flüchtiger Illusion und dinglicher Materialität. Oft wird das Prinzip Projektion mit den verschiedensten Techniken kombiniert. Sogar Rückgriffe auf Vorläufer wie die camera obscura kommen vor: Veldhues und Schumacher vereinfachen den Zugriff, indem sie, analog zum Fotogramm, Gegenstände direkt auf den Bildträger befestigen (ready-mades, e.A.). Für die weitreichende Kreuzrasterung der Kölner Domfassade reichte ihnen ein Stück Fliegengitter, das zwischen zwei Diagläser gespannt, von mehreren Projektoren übertragen wurde.” (2)
“Wenn das Duo auf die hybride Bilderfülle der Multimedia-Spektakel (…) verzichtet, so steht dahinter eine künstlerische Entscheidung. Nicht bewegter Abwechslungsreichtum oder sich jagende Lichteffekte, sondern stille, ortsgenaue Bilder sind die visuelle Botschaft ihrer Projektionen. Veldhues/Schumacher verwenden weder Videos noch Animationen, sondern ausschließlich Diapositive. Oft kommen sie mit einem einzigen Dia aus. Sie achten besonders genau auf den Einbruch der Dämmerung, auf Wetter und Wolken. Alle Präsentationen im Außenraum stehen unter den Schwankungen des Himmels (…). Bei Dias, die still stehen, liegt im Auftauchen aus der Überblendung, auf deren Be- und Entschleunigung besonderer Nachdruck. Aus der Überdimensionierung durch den Projektor erwachsen eigene Bildwelten, in denen nächste Nähe mit äußerster Verfremdung zusammenfällt. Der ganze Komplex des Organischen, jedoch auch Rastergeometrien gewinnen eine Direktheit, die sich ausschließlich der Projektion verdankt.
Am Gegenpol zur Konzentration auf wenige cm Realität steht die Expansion in Landschaft, Stadt, Architektur, Vergangenheit und Geschichte. (…) Die Projektion
ruft ältere Schichten der Überlieferung wach und unterlegt sie der Gegenwart, genauer: überlagert sie. Deshalb verwundert es nicht, wenn das besondere Augenmerk ganzen Landstrichen im Wandel gehört. Das Ruhrgebiet gehört dazu, wo der Umbau von der alten Montankultur ins Zeitalter der Digitalisierung das Revier umkrempelt (…). Andere Anknüpfungen greifen keine sozialen Verwerfungen, sondern immer wieder nationalsozialistische Verbrechen in ehemaligen Konzentrationslagern auf. Sie ziehen sich als roter Faden durch die Arbeiten des letzten Jahrzehnts und vereinen Genauigkeit durch den strikten Bezug auf ein mit Leiden beladenes Gelände und mit einem Verweis auf vergebliche Hoffnungen. Innerhalb der Mahnkultur im Zusammenhang des Naziregimes leisten Veldhues/Schumacher einen der wenigen überzeugenden Beiträge. Spätestens ab dem Jahr 2000 gewinnt der Aspekt “Ortsgedächtnis” programmatische Bedeutung für erhebliche Teile des Werkes. Er bildet ein breites Dach für viele Arbeiten und eine zentrale Strategie.
Ihr Spektrum reicht so weit, wie ihr künstlerischer Blick. Sie montieren ihre Kamera in einem fahrenden Bus, richten sie auf einen Gebäudetrakt oder bedienen sich der Aufnahmen mit Hilfe eines Elektronenrastermikroskops. Ihre Projektionen sind so auch eine Form der Welterkundung und -vernetzung, ein dialogischer Umgang mit Realitäten und Bedeutungen: Sichtbarmachung von Zusammenhängen. Ich kenne keine so polyphon agierenden anderen Projektionskünstler, die das so flexibel praktizieren und den Rahmen so offen halten”. (3)
“Entscheidend ist für sie der Projektionsträger, denn (…) das Bild entsteht unter den spezifischen Bedingungen des Trägers, der es auffängt. Dieser kann fixiert oder beweglich, dicht oder durchlässig gebaut oder gewachsen sein. Je nachdem verändert das Bild seinen Charakter (…). Es verschmilzt mit dem Träger zu einer Einheit eigener Art, die in Grösse, Struktur, Lichtkraft und Materialität eine nie da gewesene Überlagerung von Illusion und Realität erzeugt.” (4)
Manfred Schneckenburger
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